Fehlgeburt: Ein Thema, das oft verschwiegen wird
- Teresa

- 24. Mai
- 10 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juli
Was wissen Frauen wirklich über eine Fehlgeburt? Welche Auswirkungen hat sie auf den Körper, die Psyche, die Beziehung und die Zukunft? Wer nicht selbst betroffen war/ist, kann die Tiefe dieses Erlebnisses kaum erfassen. Viele Frauen setzen sich erst mit dem Thema auseinander, wenn sie selbst oder eine nahestehende Person eine Fehlgeburt erleiden.
Auch ich habe mich nie intensiv damit beschäftigt. Warum auch? Ich war dreimal schwanger, und nach jedem positiven Test überwog die Freude, gefolgt von der Angst vor einer Fehlgeburt. Doch warum sollte es gerade mich treffen? Man liest oft, dass die Statistik niedrig sei und Fehlgeburten gar nicht so häufig vorkommen. Aber die Realität sieht anders aus. Ich möchte meine Geschichte teilen, mein Wissen weitergeben und einen kleinen Einblick in die oft verborgene Seite dieses Themas geben. Bevor ich euch einige relevante Statistiken und weiterführende Informationen zum Thema Fehlgeburt teile, möchte ich euch meine persönliche Geschichte erzählen.

Dezember 2024: Ein unerwarteter positiver Schwangerschaftstest
Im Dezember 2024 hielt ich unerwartet einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Diesmal hatte ich keine Angst, mein Kind zu verlieren. Ich hatte bereits drei Schwangerschaften hinter mir, meine Kinder wuchsen gesund und munter auf und kamen durch natürliche Geburten zur Welt. Keine Frühgeburten, keine vorzeitigen Wehen, keine gesundheitlichen Probleme. In jeder Schwangerschaft hatte ich zu Beginn Schmierblutungen. Doch diesmal war nichts. Ich dachte, mein Körper funktioniere einwandfrei.
Falsch gedacht. Nur wenige Wochen nach dem positiven Test bekam ich leichte Blutungen. Ich dachte, wie immer, es wird schon nichts sein. Aber innerlich spürte ich den Unterschied.
Schnell überkam mich die Angst, ich rief meinen Arzt an und vereinbarte sofort einen Termin. Als ich in der Praxis ankam, wurden die Blutungen stärker. Dort wurde ein Test gemacht und ein Ultraschall durchgeführt.
„Es tut mir leid“, hörte ich. „Sie haben einen Abort. Die Blutung wird stärker werden und diese Schwangerschaft wie eine normale Periode beenden.“

Die Ironie des Schicksals: Als meine größte Angst Wirklichkeit wurde
Meine größte Angst war immer eine Fehlgeburt. Jede meiner Schwangerschaften war von dieser Angst überschattet. Und ausgerechnet als ich zum ersten Mal keine Angst hatte, traf es mich. Wie so oft im Leben, schlägt das Unerwartete genau dann zu, wenn man es am wenigsten erwartet.
Ich konnte es nicht fassen. Ich glaubte, mir würde so etwas nie passieren. Wie oft hört und sieht man von schrecklichen Dingen und denkt: "Mir passiert das nicht." Aber es passiert. Jeden Tag erleben Frauen Fehlgeburten. Viele werden mit dieser Realität konfrontiert und müssen lernen, damit umzugehen. Andere bemerken es vielleicht nicht einmal, halten es für eine verspätete Periode, ohne zu wissen, dass sie einen Abort hatten.
Es ist schwer, dieses Gefühl in Worte zu fassen. Dein Baby ist weg. Dein Herz und deine Seele sind nicht mehr bei dir. Du bleibst allein zurück und musst mit dieser Leere leben.
Warum ist es passiert? Was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich tun können, um es zu verhindern? Unzählige Fragen schwirren im Kopf herum.
Und dann kommt die schwierige Aufgabe, es der Familie zu erzählen. Einige wussten von meiner Schwangerschaft, die engsten Familienmitglieder. Für alle anderen war diese Schwangerschaft nie real. Aber für meinen Mann und mich war sie es, und zwar sehr.
Warum habe ich es nicht allen erzählt? Am Anfang schämte ich mich. Ich schämte mich, um ein Kind zu trauern, das noch nicht geboren war.
Ein Kind, das für die Gesellschaft nur ein Zellhaufen war. Ein Kind, das das vierte gewesen wäre. "Sei doch zufrieden mit deinen drei gesunden Kindern", hieß es. Als ob nur das erste Kind bedeutsam wäre. Solche Aussagen machten mich wütend.
Welche Mutter schaut ihr drittes oder viertes Kind an und sagt: "Wenn du gestorben wärst, wäre es okay gewesen, ich habe ja schon zwei oder drei Kinder."
Der stille Schmerz
Zu Beginn versuchte ich, das Ganze zu ignorieren. Ich tat so, als ob es nie passiert wäre, und versuchte, mich auf meine Kinder zu konzentrieren. Ich wollte für alle stark sein und nicht zeigen, dass mich dieser Verlust mehr belastete, als es schien.
Aber je öfter ich die Gesichter meiner Kinder sah, wie sie mich riefen, mir Liebe zeigten und ich ihnen, desto mehr schmerzte mein Verlust.
Warum musstest du gehen? War ich nicht stark genug, dich bei mir zu halten? Ich konnte das nicht akzeptieren und musste dringend einen Weg finden, das alles zu verarbeiten.
Ich musste jedoch mit der Situation zurechtkommen.
Akzeptieren und verarbeiten – das waren die nächsten Schritte.
Ich merkte, dass ich es allein nicht schaffen würde. Ich musste mehr erfahren: Warum passiert so etwas? Kann man es verhindern? Sind meine Gefühle normal oder werde ich verrückt? Ich brauchte mehr Wissen und jemanden, der mich versteht, mir beisteht und mir das Gefühl gibt, nicht allein zu sein.

Die Suche nach Hilfe und Verständnis
Nach fast zwei Monaten spürte ich, wie die Last immer größer wurde. Ich bemerkte eine starke Veränderung an mir und war völlig überfordert. Ich wusste, ich brauchte Hilfe, egal in welcher Form.
Also begann ich zu recherchieren und stieß dabei auf eine Autorin, die in einem Buch ihre Erfahrungen als Fachärztin für Fehlgeburten und unerfüllten Kinderwunsch sowie das Fachwissen einer Hebamme zusammenführte.
Sie teilte ihre persönlichen Erfahrungen und fachlichen Aspekte und eröffnete mir damit eine völlig neue Perspektive.
Wusstet ihr, dass ein Großteil aller Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt endet? Fast ein Drittel aller befruchteten Eizellen geht verloren, bevor sie die Gebärmutter erreichen. Ein weiteres Drittel der befruchteten Eizellen nistet sich ein, aber der Embryo entwickelt sich nicht weiter.
Viele Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, dass sie schwanger waren, und bekommen ihre Periode. Für sie ist es lediglich eine verspätete Regelblutung, aber tatsächlich waren sie schwanger. Wenn man diese frühen Schwangerschaftsverluste in die Statistik mit einbezieht, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt bei etwa 75-80 %. Dies betrifft Frauen aller Altersgruppen, niemand ist ausgeschlossen.
Da die ersten Wochen die kritischste Phase einer Schwangerschaft darstellen, ist es nicht verwunderlich, dass etwa 80 % aller Fehlgeburten in den ersten 12 Wochen auftreten. Nach der 12. Schwangerschaftswoche sinkt das Risiko deutlich. Am höchsten ist es vor der 8. Schwangerschaftswoche.
Am Ende dieses Beitrages findet ihr das Buch dieser wundervollen Autorin, das mir so sehr geholfen hat.
Die Erkenntnisse und die bleibende Liebe
Endlich verstand ich viele Aspekte, die mir bis zu diesem Zeitpunkt unklar waren. Ich lernte, dass es zahlreiche Gründe für eine Fehlgeburt geben kann. Es sind unglaublich viele Frauen betroffen, und viele, wenn nicht sogar alle, fühlen sich so, wie ich mich jetzt fühle. Ich war erleichtert und zugleich schockiert, dass so viele Frauen diese Erfahrung machen müssen.
Ihr werdet hier nicht lesen, dass ich durch das Buch vollständig geheilt bin und mein Leben unbeschwert weiterlebe.
Denn ich denke jeden Tag an mein Sternenkind. Ich denke jeden Tag darüber nach, wie es jetzt wäre, wenn... Mir fehlt etwas, das ich nie hatte, aber das hat mich gleichzeitig unglaublich stark gemacht. Ich verstehe nun andere Frauen, die so etwas erlebt haben, ich teile mit ihnen ein Leid, das nie ganz verschwinden wird, aber von Tag zu Tag erträglicher wird. Und ich versuche, auch nur einem kleinen Teil betroffener Frauen eine Stütze zu sein.
Mein persönlicher Rat ist: Egal, wie schmerzhaft sich die Gefühle anfühlen, lasst sie zu. Der Schmerz, der Verlust, gehört zu euch und zu eurem Sternenbaby. Schämt euch für nichts, denn wer so etwas erlebt und dennoch ins Leben zurückfindet, ist eine unglaublich starke Frau und verdient Bewunderung.
Auch wenn du dein Kind nicht auf die Welt gebracht hast, war es dennoch da! Es hat dennoch gelebt und ein Zeichen hinterlassen. Es wird dich immer begleiten und dich daran erinnern, dass Liebe unendlich ist. Auch für jemanden, den du leider nicht sehen und fühlen konntest.
Jemand sagte zu mir: "Gib deinem Sternenkind ein kleines Stück deines Herzens und lebe weiter." Nein, ich gebe meinem Sternenkind mein ganzes Herz, genau wie meinen anderen drei Kindern. Es ist ein Teil von mir und wird es immer sein. Und egal, ob noch eine weitere Schwangerschaft kommt, die ich austragen werde, mein Sternenkind wird immer bei mir bleiben.
Die unsichtbaren Faktoren und mein Weg zum Verständnis
Die Gründe für eine Fehlgeburt können tatsächlich vielseitig sein, und durch meine intensive Recherche wurde mir klar, wie komplex die Entstehung neuen Lebens ist.
Es ist so viel mehr als nur die logische Schlussfolgerung ungeschützten
Geschlechtsverkehrs – ein Kind ist ein wahres Wunder der Natur, das wir viel zu oft als selbstverständlich ansehen.
Eine der häufigsten Ursachen sind Chromosomenanomalien. Das bedeutet, dass sich das Erbgut des Embryos nicht richtig entwickelt hat. Das ist eine Laune der Natur und liegt außerhalb unserer Kontrolle. Als ich das verstand, nahm es mir einen Teil der quälenden Frage "Was habe ich falsch gemacht?" ab. Es ist keine Schuld der Frau, sondern ein genetischer Fehler, der leider nicht beeinflusst werden kann.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Ungleichgewicht verschiedener Hormone, die für den Aufbau und Erhalt einer Schwangerschaft essenziell sind. Ein Beispiel hierfür ist ein Progesteronmangel, der die Gebärmutterschleimhaut nicht ausreichend vorbereiten kann. Auch anatomische Probleme der Gebärmutter, wie beispielsweise Verwachsungen oder Fehlbildungen, können eine Ursache für Fehlgeburten sein.
Darüber hinaus gibt es andere Faktoren, die eine Rolle spielen können. Bestimmte Erkrankungen der Mutter, wie eine Schilddrüsenfehlfunktion oder Infektionen, können ebenfalls zu einem Schwangerschaftsverlust führen.
Durch meine Lektüre konnte ich also endlich begreifen, dass wir Frauen viele Dinge leider nicht beeinflussen können. Die Entstehung eines neuen Lebens ist ein so umfangreicher Prozess mit unzähligen Facetten, die reibungslos ineinandergreifen müssen. Dieses Wissen war für mich ein erster Schritt zur Akzeptanz und hat mir gezeigt, dass es nicht an mir lag.

Die Akzeptanz des Neuen Ichs: Ein Weg durch Trauer und Wandel
Nach dieser tiefgreifenden Erkenntnis wurde mir bewusst, dass ich die Situation mit anderen Augen sehen musste. Erst jetzt konnte die wirkliche Trauer beginnen.
Ich fing an, all das zu akzeptieren, und dankte meinem Körper dafür, dass er trotz dieses großen Verlustes versuchte, stark zu bleiben.
Denn auch nach einer Fehlgeburt ist der Körper immer noch im Schwangerschaftsmodus, und man kann nicht von heute auf morgen so weiterleben, als wäre nichts geschehen. Es kommen oft negative Emotionen auf einen zu, die man vielleicht so nicht von sich kannte, und die Angst vor der persönlichen Veränderung kann sehr beängstigend sein. Eine Zeit lang dachte ich, ich würde meinen Verstand verlieren. Meine Emotionen drängten nach Ausdruck, doch mein Verstand wollte es nicht akzeptieren und schämte sich, solche Gefühle zu empfinden. Ich wollte wieder "normal" sein, ich wollte die alte Ich sein.
Doch die Wahrheit war, dass die alte Ich nicht mehr existierte und auch nicht wiederkommen würde.
Dieser Verlust hatte mein Leben, meine Persönlichkeit und mein Ich unwiderruflich verändert, und so würde es auch bleiben. Ich musste lernen, mein neues Ich zu akzeptieren und lieben zu lernen. Es hat viel Zeit gebraucht, aber ich habe es geschafft. Ich habe immer an mein Baby gedacht. Besonders in der Zeit, in der ich noch schwanger gewesen wäre, stellte ich mir vor, wie ich jetzt ausgesehen hätte. Das tat weh, aber ich wusste, das ist die Realität, und die muss ich akzeptieren.
Nur wenige in meinem Umfeld wussten, was passiert war, und so ist es auch geblieben. Warum das so ist, kann ich nicht sagen, ich weiß nur, dass es das Richtige für mich ist.
Wege der Heilung: Unterstützung finden und zulassen
Nach solch einem einschneidenden Erlebnis ist es entscheidend, in sich zu gehen und zu erspüren, was einem guttut. Welche Art von Hilfe möchte man annehmen und wie kann man die eigene Trauer verarbeiten?
Natürlich gibt es die ärztliche Begleitung, und hier möchte ich besonders betonen, wie wertvoll die Unterstützung von Hebammen sein kann.
Viele wissen nicht, dass wir Frauen auch bei einer Fehlgeburt ein Recht auf die Betreuung durch eine Hebamme haben. Sie können nicht nur medizinisch, sondern auch emotional eine enorme Stütze sein.
Auch psychologische Betreuung kann eine große Hilfe sein, um den Verlust zu verarbeiten. Manchmal reichen die eigenen Kräfte oder das soziale Umfeld nicht aus, um mit der Tiefe der Trauer umzugehen.
Und was ganz wichtig ist: Nehmt die Unterstützung eurer Liebsten an.
Euer Partner kann euch heilen, denn auch er hat einen Verlust erlitten. Oft wird der Vater in seiner Trauer vergessen, aber auch ein Mann kann zutiefst trauern und braucht eine Stütze. Sich gegenseitig beizustehen und offen über Gefühle zu sprechen, kann den Heilungsprozess enorm fördern. Sprecht miteinander, teilt eure Ängste und eure Trauer. Ihr seid nicht allein in diesem Schmerz.
Ich habe viele Gespräche mit meinem Mann geführt. Er hat oft nur zugehört und das hat mir das Gefühl gegeben, dass er Raum für meine Gedanken und meinen Schmerz lässt. Ich habe unzählige Male über dieselben Sachen geredet, und er gab mir den Eindruck, ich würde dies zum ersten Mal erzählen. Ich wusste, ich wiederholte mich, aber ich musste viele Dinge laut aussprechen, um sie zu akzeptieren.
Ich hatte ständig eine Leere in mir, und die ging nicht weg. Je öfter ich darüber sprach, desto weniger wurde die Leere und füllte sich mit Akzeptanz. Es war auch von Anfang an klar, mit meinem Kinderwunsch hatte ich damit nicht abgeschlossen.

Der Weg nach vorn: Vertrauen und Hoffnung
In all dem Schmerz und der Leere, die mich begleitet haben, ist eines ganz klar geblieben: Mein Kinderwunsch. Er war nicht erloschen, ganz im Gegenteil – er wurde nur noch stärker. Die Gespräche mit meinem Mann waren dabei ein Anker. Seine Fähigkeit, einfach nur zuzuhören, ohne zu bewerten oder Lösungen anzubieten, war für mich von unschätzbarem Wert. Er gab mir den Freiraum, meinen Schmerz immer wieder in Worte zu fassen, und durch seine geduldige Präsenz konnte ich meine Gedanken sortieren und die Akzeptanz langsam wachsen lassen. Die konstante Leere in mir wurde mit jedem ausgesprochenen Wort ein kleines bisschen kleiner und füllte sich allmählich mit tiefer Akzeptanz.
Ich weiß, dass viele Frauen nach einem solchen Verlust eine immense Angst vor einer erneuten Fehlgeburt entwickeln. Doch seltsamerweise war das bei mir nie der Fall – weder damals noch heute. Ich möchte meinem Körper dieses Vertrauen schenken und weiß, dass er es schaffen kann, mir noch einmal diese wunderbare Möglichkeit zu geben. Eine neue Schwangerschaft mit der Furcht anzugehen, alles noch einmal durchleben zu müssen, hätte mich blockiert. Doch mein Wunsch ist einfach zu groß, um mich von dieser Angst leiten zu lassen.
Tief in meinem Herzen spüre ich, dass da noch jemand auf mich wartet. Und um das ganz deutlich zu sagen: Ein weiteres Kind wird niemals den Platz meines Sternenkindes einnehmen. Aber ich habe das Gefühl, mein Baby wartet auf mich und dass seine Geschwisterchen ihm diesen Platz in unserer Familie freigehalten haben. Mein kleines Herzchen wird für immer in meinem Herzen bleiben, und ich glaube fest daran, dass wir uns an einem anderen Ort wiedersehen und uns endlich kennenlernen werden.
Meine persönliche Empfehlung:
Hilfe bei Fehlgeburt- Wie du mit dem Verlust deines Kindes umgehen und wieder Hoffnung finden kannst. Dr. med. Caroline Lehmann




